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Zeitzeugen erzählen: Die Waldbrandkatastrophe von 1975

GedenksteinIm August 2015 jährt sich zum 40. Mal die große Waldbrandkatastrophe im Bundesland Niedersachsen.

(fri) Gartow. Im August 2015 jährt sich zum 40. Mal die große Waldbrandkatastrophe im Bundesland Niedersachsen. In den Landkreisen Celle, Gifhorn und Lüchow-Dannenberg fielen damals über 8000 Hektar Wald-, Moor- und Heideflächen den Flammen zum Opfer. Mehrere Feuerwehrangehörige verloren in den Flammen ihr Leben. Das Ausmaß der Brände war seit Menschengedenken unerreicht und stellte die Einsatzkräfte vor gewaltige Aufgaben.

Die verantwortlichen Stellen waren auf die Herausforderungen in keiner Weise vorbereitet. „Katastrophal“ schreibt das Magazin „Der Spiegel“ in seiner Ausgabe 34/1975, „war nicht nur die Feuersbrunst gewesen, sondern auch die Organisation der Brandbekämpfung.“ Landes- und Kommunalpolitiker, beamtete Zivilisten und Uniformierte, viele wollten das Kommando haben und am Durcheinander waren immer die Anderen schuld.

Chaotische Zustände
Bei den nach dem Zweiten Weltkrieg demilitarisierten Feuerwehren fehlt es 1975 an effektiven Strukturen, klaren Befehlsketten und Zuständigkeiten. In Niedersachsen sind die Oberkreisdirektoren als Verwaltungschefs für die Katastrophenbekämpfung verantwortlich, doch in der Praxis herrscht in vielen Bereichen Chaos. Weil Politiker ihre „Privatkriege“ ausfechten bekommen die aufopfernd kämpfenden Freiwilligen Feuerwehren und die anderen Helfer widersprüchliche Anweisungen, Reserven werden nicht eingesetzt oder sinnlos ins Nichts geschickt.

Bergepanzer
Die Bundeswehr setzte schweres Gerät, wie diesen Bergepanzer ein

Fehleinschätzungen und Kompetenzwirrwarr sind nur zwei der Probleme, dazu kommen unter anderem fehlende Nachrichtenverbindungen. Feuerwehren, Bundeswehr, Bundesgrenzschutz (BGS) und Landespolizei nutzen unterschiedliche Frequenzen und sprechen jeweils eine eigene Sprache. In Lüchow-Dannenberg läuft es von den betroffenen Landkreisen noch am besten. Dies liegt vor allem daran, dass Oberkreisdirektor Wilhelm Paasche den Stellvertretenden Kreisbrandmeister Bernhard Pevestorf mit der Führung beauftragt hat.

BGS
Der Bundesgrenzschutz war mit Wasserwerfern vor Ort

Niedersachsens nach zeitgenössischen Medienberichten völlig überforderter Innenminister profiliert sich im Katastrophengebiet mit der Ablösung des BGS-Generals Kühne, der mit seinem kleinen Stab versucht, das Feuer in den Griff zu bekommen. Der Politiker will die Verantwortung an sich reißen und stiftet nach zeitgenössischen Medienberichten damit noch mehr Verwirrung. Währenddessen führen Feuerwehrleute aus acht Bundesländern, Polizisten, Grenzschützer, deutsche und britische Soldaten sowie zivile Helfer tagelang einen aufopferungsvollen und gefährlichen Kampf gegen die Flammen.

„Wir gehen zum Angriff über“
Dass ihr gemeinsamer Einsatz letztendlich Erfolg zeigt, „war vor allem ein Verdienst der Bundeswehr, die sich nun mit allem, was nötig war, in die Bresche warf: Bergungspanzer schlugen Schneisen, Hubschrauber bewässerten sie, und die Männer mit den Feuerpatschen, die in Linie wie beim Alten Fritz -- freilich nach jeder Feuerphase rück- statt ausfallend -- vorgingen“, so der den deutschen Streitkräften sonst mehr als kritisch gegenüberstehende „Spiegel“.

Generalmajor Wilhelm Garken, Kommandeur der 1.Panzergrenadierdivison in Hannover, hat praktisch das Kommando über die Löscharbeiten: „Wir gehen zum Angriff über.“ Der Truppenführer nimmt zwar die Weisungen der zivilen Verantwortlichen entgegen, setzt sie aber so um, wie er es für notwendig hält. Zivile und Uniformierte kommen zur Befehlsausgabe auf seinen Gefechtsstand, der Chef des Stabes, Oberst Eberhard Wetter, zeigt an der Karte was sie zu tun haben.

Feuerwehr 02
Feuerwehrangehörige beim Löschen von Glutnestern

Durch straffe Führung und klare Aufträge wird das Durcheinander beseitigt, nach wenigen Tagen ist die Lage unter Kontrolle. Der Einsatz aus der Luft und am Boden zeigt endlich Erfolg. Garken und Wetter loben vor allen die vielen Freiwilligen Feuerwehrleute und deren Führer, die an der Brandfront hervorragende Arbeit leisten. Im Landkreis Gifhorn kostet ihr Engagement fünf Blauröcke das Leben.

Feuerwehr
Unterstützung kam auch von der Lübecker Feuerwehr

Lektion gelernt
Während der Katastrophe sind insgesamt rund 34.000 Helfer im Einsatz, ein gutes Drittel davon Feuerwehrleute. Die Bundeswehr stellt 11.000 Soldaten, das Technische Hilfswerk ist mit 5.000 Angehörigen dabei, vom Deutschen Roten Kreuz kommen 2.000 Helfer. Zu den 1.250 Polizeibeamten treten 600 Männer des Bundesgrenzschutzes, 650 Johanniter-Unfallhelfer, 150 Bedienstete der Forstverwaltung und weitere Helfer. Über dem Einsatzgebiet kreisen mehr als 70 Hubschrauber, drei Löschflugzeuge greifen an Schwerpunkten ein.

Niedersachsen zieht aus der Katastrophe Konsequenzen. Forstverwaltung und zuständige Behörden analysieren die Probleme und sorgen für Abhilfe. So stehen heute beispielsweise in großen Wäldern Löschwasserreservoirs und Tanks für die Brandbekämpfung zur Verfügung. Die Feuerwehren sind besser ausgestattet und ausgebildet, durch klare Strukturen und Verantwortlichkeiten sollen Führungsprobleme vermieden werden. Die Hochwasser der letzten Jahre haben eindrucksvoll gezeigt, dass zumindest in Lüchow-Dannenberg die Lektion in Sachen Katastrophenbekämpfung gelernt wurde.

Gedenkstein
Gedenkstein für die fünf getöteten Feuerwehrleute

In weiteren Beiträgen dieser Reihe kommen unter anderem Zeitzeugen zu Wort, die sich als Betroffene oder Helfer an die Katastrophe im Landkreis Lüchow-Dannenberg erinnern.

Bericht und Bilder: Johann Fritsch

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